Wenn
es darum geht, deepen Deutschrap auf gutem Niveau zu benennen,
sollte der MC aus Kassel nicht vergessen werden (rap.de). Trotzdem
wird "Kassels offizieller Rap Botschafter" (Hiphop.de)
immer noch als Untergrund-Geheimtipp gehandelt. Durch seine
Liebe zur Sache und einen kontinuierlichen Output hat sich "Kassels
Finest MC" (Wildstylemag.com) jedoch eine treue und stetig
wachsende Fangemeinde eingespielt.
Wenn man
sich fragt, was den Rapper und Student der Bildenden Künste
vom Rest der immer unübersichtlicher werdenden, oftmals
ins Banale abdriftenden Rap-Szene unterscheidet, fallen einem
gleich mehrere Punkte ein. Zum einen zeigt Tim Taylor "vielen
MCs wo raptechnisch der Hammer hängt" (rap.de) und
ist ein Virtuose, was das Abwechslungsreichtum und die Innovation
bei seinem Rap Style betrifft. Zum anderen haben seine Texte
ein sehr hohes lyrisches Niveau, das sich weit vom aktuellen
Standard abhebt, so dass manche gerappte Geschichten "in
die Kategorie Märchen eingeordnet werden können"
(Juice). Wer aber jetzt denkt, dass Tim nur tiefsinnige Geschichten
erzählt und "ähnlich wie Curse Lyrik locker
aus dem Handgelenk schüttelt" (Laut.de), der hat
sich getäuscht, denn Tim deckt thematisch ein sehr breites
Spektrum ab, so dass es bei ihm von persönlichen und
selbstreflektierenden, über politischen, bis hin zu völlig
abstrakten Texten geht. So kam es auch, dass 2011 das Staatstheater
Kassel an Tim herantrat um ihn für eine Zusammenarbeit
zu gewinnen, bei der eine Rap-Oper mit dem Namen "Oh
Tell O" entstand.
Wer Tim
Taylor einmal live erleben durfte, ist überrascht mit
wie viel Energie und Selbstsicherheit der im Alltag doch eher
ruhige MC Lieder aus seinem immer größer werdenden
Fundus präsentiert. Diese Professionalität verwundert
einen aber nicht mehr, wenn man bedenkt, dass Tim nun seit
über 10 Jahren Bühnenerfahrung sammeln konnte und
neben etlichen Gigs, bei denen er als Hauptact auftrat, auch
schon Vorgruppe war für Rap-Größen wie Guru
(Gangstarr), DAS EFX, Planet Asia (Tour Support), Delinquent
Habits, Afu-ra, Olli Banjo und viele mehr.
Doch man
muss weiter zurückgehen, um sich ein Bild machen zu können,
das dem sehr komplexen HipHop-Künstler gerecht wird:
Wie so viele andere packte Tim das Hiphop Fieber Mitte der
Neunziger Jahre. Fasziniert von dieser aufregenden Kultur
fing er relativ früh an, selber Graffitis zu zeichnen,
aber auch zu sprühen und hörte anfänglich Musik
von Künstlern wie Ice Cube oder Public Enemy. Einen wichtigen
Grundstein in Tims Entwicklung zum Rapper legte sicherlich
die Gruppe "Wu-Tang Clan" mit ihrem Debut "36
Chambers", die den damals noch sehr jungen Menschen in
seinen Bann zog und ihn überzeugte, das es das Größte
sei, irgendwann einmal selber so gut rappen zu können.
Gruppen wie "Advanced Chemestry" oder "Blitz
Mob" zeigten ihm früh, dass dies auch relativ gut
auf Deutsch funktionierte. Anders, als es heute üblich
ist, ließ sich Tim sehr viel Zeit beim Schreiben seiner
Texte, verwarf vieles und feilte ausgiebig an seinem Flow
in Freestyle-Sessions mit Freunden ,aber auch oft für
sich allein. Erst nach vier Jahren der Vorbereitung sah er
sich im Alter von 19 Jahren bereit, erste Tracks aufzunehmen.
Ungefähr zur gleichen Zeit trat er der Kasseler HipHop-Formation
"Deadly Hyenas" bei, zu denen unter anderem Rapper
wie "Jintanino", "Jamil und Jamal" oder
die "Kapuziner" gehörten und mit denen er in
den nächsten Jahren seines Lebens viel zusammenarbeiten
sollte. Diese Gruppe zeichnet sich wohl auch dadurch aus,
dass sie nie Strukturen geschaffen hat, mit denen sie in der
Lage gewesen wäre, eine größere Menge an Leuten
zu erreichen. Das musikalische Potential war jedenfalls gegeben.
Jintanino
allein, der Tim sicherlich stark inspirierte, hatte schon
früh einen lyrischen Anspruch, der weit über dem
der populären, oft infantil wirkenden deutschen Rap-Interpreten
lag und wohl auch heute noch liegt. Die ersten Demos der Gruppe
wurden eigenhändig vervielfältigt und ohne jegliche
Vermarktung, hauptsächlich von Tim selbst, auf offener
Strasse an den Mann gebracht. Im Jahre 2003, im Alter von
21 Jahren stellte Tim sein erstes Album mit dem Namen "Ein
Hörspiel und ein Alboom" fertig. Das Erstlingswerk
ist aufgeteilt in ein reguläres Album und ein sich über
mehrere Tracks erstreckendes Rap-Hörspiel, das einen
inneren Kampf zwischen den verschiedenen Persönlichkeiten
von Tim zum Thema hat. Ein guter Freund von Tim kam auf die
Idee, dieses Album bei der Redaktion von "Dope Beats"
einzuschicken, einer HipHop Sendung im Radio, die zu dieser
Zeit in Hessen sehr angesagt war. Die Macher dieser Sendung,
zu denen unter anderem "DJ Kitzune" gehörte,
entschlossen sich daraufhin, kurzerhand das Werk über
ihr Label "Starting Lineup" in Zusammenarbeit mit
dem Vertrieb von "Wu-Tal" zu veröffentlichen.
Das gezeichnete Cover stammt, wie auch alle folgenden, von
Tim Taylor selbst.
Nach verschiedenen
Crew-Projekten und vielen Auftritten in ganz Deutschland veröffentlichte
Tim 2006 das Album "Tim der Mensch" über "Groove
Attack" und das ehemalige Kasseler Label "Gambit
Entertainment".
Tim ist
jemand, der Hiphop in seiner puren Form liebt und lebt. Auf
seinem 2009 über KWU/Sony erschienenen Album "Der
Mensch und die Anderen" stellt er dies eindrucksvoll
unter Beweis.
Durch seine künstlerische Tätigkeit in den Bereichen
Rap, aber auch Malerei wurde Tim 2008 auf der Kunsthochschule
in Kassel aufgenommen und studiert seit dem freie bzw. bildende
Kunst. Aber auch ohne dieses Studium wäre Tim sicherlich
weiter seinen kreativen Weg gegangen, auf dem er immer wieder
versucht, mit Konventionen zu brechen und etwas zu erschaffen,
was nicht unbedingt dem gängigen Standard entspricht.
Immer wieder überschneiden sich in seinen Werken gängige
künstlerische Bereiche wie Malerei und Musik, aber auch
Theater und Performancekunst. Sei es nun indem er zu eigenen
Tracks die passenden Bilder malt oder dass er die Texte für
eine Rap-Oper schreibt. Tim ist in der Lage mit seinen visuellen
und akustischen Werken Räume zu bespielen und eine klassische
Austellungssituation moderner Kunst zu schaffen und stellte
dies bereits in Kassel, Frankfurt und Berlin unter Beweis.
Sicherlich zählt "Der Geist zwischen den Mauern",
eine über 25 Minuten gerappte Geschichte, die Tim 2008
über rap.de releaste, auch zu den extravaganteren Veröffentlichungen
der deutschen Rapszene.
2012 fand
er einen Verlag (Autumnus Verlag Berlin), der nun auch ein
Buch von ihm veröffentlicht. Darin sind Gemälde
zu einem zugehörigen Raptext von Tim zu bestaunen. Für
einen Gedichtsband des Autors "Martin Ebbertz" fertigte
Tim passende Zeichnungen an.
Nach etlichen
Featureparts, Rap Videos, Exclusive Songs, Ausstellungen und
Auftritten steht nun sein viertes Album kurz vor der Vollendung.
Da, wie schon erwähnt, Tim Rap als eine ernst zu nehmende
Kunstform sieht, die nicht nur Jugendlichen vorbehalten sein
sollte, wird bei ihm auch nicht so schnell ans Aufhören
gedacht. Man darf also gespannt bleiben mit was Tim in Zukunft
noch alles von sich reden machen wird.
Zu guter
Letzt noch ein paar Zeilen über den Tim den Menschen:
Tim ist im privaten Umgang eher höflich und zurückhaltend,
was für viele im Gegensatz zu seiner künstlerisch
agierenden Persönlichkeit zu stehen scheint. Auch seine
Wohnsituation ist eher als zurückgezogen zu bezeichnen,
da er auf einem kleinen Dorf unweit von Kassel, umgeben von
einem großen Wald lebt. Dort restauriert er zusammen
mit einem befreundeten Zimmermann ein altes Fachwerkhaus,
das von den beiden bewohnt wird und welches oft für gesellige
Freestyleabende genutzt wird. Dennoch pflegt Tim seine Kontakte
in Städten wie Hamburg oder Berlin und fährt selbstverständlich
nicht nur zu Gigs hinaus in die weite Welt.
Passend
zu seiner politischen und sozialen Einstellung, die in seinen
Texten deutlich wird, engagiert sich Tim im sozialen Bereich.
Zusammen mit dem Kasseler Verein "Klangkeller e.V."
arbeitet er zusammen mit Heranwachsenden und Jugendlichen
und gibt dort in erster Linie Workshops. Seinen Lebensunterhalt
verdient er im Moment in erster Linie durch Behindertenassistenz.
Tim liest gerne Bücher, besitzt kein Auto, hat eine feste
Freundin und ist als Person wohl das, was man im Allgemeinen
als Freigeist bezeichnet.
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